Eine kurze Beschreibung des Weges, den ein Antrag durch die Instanzen und Gremien der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) nehmen kann.
Laut der Geschäftsordnung (vom 22.04.2016) (GO) der BVV erblickt ein Antrag spätestens 9 Tage vor der BVV-Sitzung das Licht der Welt. Von einer Fraktion oder einen einzelnen Verordneten beim BVV-Büro eingereicht, landet er zuerst beim Ältestenrat:
Schritt 1: Der Ältestenrat
Der Ältestenrat ist ein nicht-öffentliches Gremium, daß die Vorsteherin der BVV bei der Erstellung der Tagesordnung (TO) unterstützt und bei Bedarf auch Schlichtungsfunktion übernimmt. Interessanter Weise sind in diesem Gremium außer den benannten Vertretern keine weiteren Verordnete als Gäste erwünscht.
Hier wird dann entschieden, was mit dem Antrag während der Sitzung geschieht. Dabei haben alle Mitglieder Mitspracherecht und die Entscheidung einen Antrag auf die Konsensliste zu setzen muß von allen Parteien unterstützt werden.
Dabei gibt es üblicherweise drei Möglichkeiten:
- Direkter Beschluss via Konsensliste
- Überweisung in einen oder mehrere Ausschüsse per Konsensliste
- Direkte Behandlung in der BVV-Sitzung
Zu 1:
Sollte der Antrag von allen Parteien als sinnvoll erachtet werden, kann er gleich mit direkter Beschlussfassung auf die Konsensliste gestezt werden. Das heißt es wird weder in der BVV-Sitzung noch in einem Ausschuss öffentlich über diesen Antrag debattiert, sondern er wird zusammen mit einem Dutzend anderer Anträge in einer einzigen Abstimmung von der Verordnetenversammlung angenommen. (Dazu wird es in den nächsten Tagen noch einen separaten Blogpost geben.)
Zu 2:
Falls eine Partei Diskussionsbedarf bei einem Antrag sieht – und das ist bei den meisten Anträgen der Fall – wird der Antrag – wieder per Konsensliste – in einen oder mehrere Ausschüsse überwiesen. Dabei wird einer der Ausschüsse als „federführend“ bestimmt. Dieser Ausschuss ist dann der verantwortliche Ausschuss, der der BVV eine Beschlußempfehlung ausspricht.
Zu 3:
Sollte ein Antrag sehr dringend sein, so kann er anstatt über die Konsensliste auch direkt in der Verordnetenversammlung debattiert und abgestimmt werden. Dies ist natürlich recht zeitaufwendig und wird daher nur einem kleinen Teil der Anträge zuteil.
Schritt 2: Die Bezirksverordnetenversammlung
Die Konsensliste
Am Tag der Bezirksverordnetenversammlung liegt allen Verordneten als Tischvorlage auch die Konsensliste aus. Hierbei werden alle Anträge auf der Konsensliste in einer einzigen Abstimmung angenommen. Im Gegensatz zu den normalen Mehrheitsentscheidungen reicht hier jedoch die Nein-Stimme eines einzigen Verordneten aus um die gesamte Liste zu kippen. In diesem Fall müßten alle Anträge eigentlich einzeln debattiert und abgestimmt werden, was aufgrund der begrenzten Zeit und des Umfanges der Konsensliste aber nicht möglich ist. Daher wird dann die Sitzung erstmal unterbrochen und versucht mit dem ablehnenden Verordneten einen Konsens zu erzielen. Das könnte z.B. darin bestehen den nicht-konsensfähigen Antrag von der Konsensliste zu nehmen und über den Rest wie gewohnt abzustimmen.
Wurde die Konsensliste einstimmig angenommen, so sind die darauf befindlichen Anträge entweder angenommen, oder in die entsprechenden Ausschüsse überwiesen worden
Die Debatte
Die Anträge über die in der BVV direkt verhandelt werden soll werden dann aufgerufen, und eine Debatte eingeleitet. An deren Ende kann eine direkte Abstimmung über den Antrag erfolgen, oder bei weiterem Beratungsbedarf eine Überweisung in einen Ausschuss erfolgen.
Natürlich steht es dem Antragsteller auch hier jederzeit frei den Antrag zu vertagen oder zurückzuziehen.
Schritt 3: Die Ausschüsse
Sollte der Antrag in einen oder mehrere Ausschüsse verwiesen worden sein, so wird er in den Wochen nach der BVV-Sitzung in den entsprechenden Ausschüssen behandelt.
Bei mehr als einem Ausschuss geben die beigestellten Ausschüsse dem federführenden Ausschuss jeweils eine Beschlußempfehlung. Alternativ kann -wenn der Bedarf besteht- von einem Ausschuss auch ein Änderungsantrag kommen, der den Text des ursprünglichen Antrages verändert.
Der federführende Ausschuss entscheidet dann erst einmal über die Änderungsanträge und stimmt abschliessend über eine Beschlußempfehlung an die BVV ab. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten, von denen die häufigsten die folgenden sind:
- Durch Verwaltungshandeln erledigt
- Annahme des Antrages
- Ablehnung des Antrages
Während die Annahme und Ablehnung des Antrages selbsterklärend sind, ist das „durch Verwaltungshandeln erledigt“ schon interessanter. Hierbei wird festgestellt, daß die Verwaltung in der Zwischenzeit eigenständig das angesprochene Problem behoben, oder die geforderte Information bereitgestellt hat. Dabei liegt es natürlich im ermessen des federführenden Ausschusses zu entscheiden, inwieweit das Verwaltungshandeln die Zielsetzung des Antrages erfüllt hat.
Zum Beispiel kann ein Antrag auf Errichtung eines Fussgängerübergangs mit Ampelanlage als erledigt deklariert werden, wenn die Verwaltung dort ’nur‘ einen Zebrastreifen angelegt hat und eine Ausrüstung mit einer Ampelanlage nicht unmittelbar mehr in Betracht kommt.
Damit beendet dann der entsprechende Antrag sein Leben als „erledigt“, obwohl die Zielsetzung unter Umständen noch nicht 100%-ig erfüllt ist.
Schritt 4: Nochmal in den Ältestenrat
Nachdem jetzt aus den Ausschüssen eine Beschlußempfehlung vorliegt, gerät der Antrag, zur Vorbereitung der 2. BVV-Sitzung, wieder in den Ältestenrat.
Hier wird jetzt wiederum nicht-öffentlich beschlossen, ob die Parteien im Konsens die Beschlußempfehlung annehmen und somit die abschliessende Beschlussfassung auf die Konsensliste setzen, oder ob eine Partei diesen Antrag doch noch mal direkt in der Verordnetenversammlung debattiert und separat abgestimmt haben möchte.
Schritt 5: Die zweite Bezirksverordnetenversammlung
Die Konsensliste
Neben den neuen Anträgen, die in die Ausschüsse überwiesen werden sollten, stehen jetzt auch die Beschlussempfehlungen der Ausschüsse mit auf der Konsensliste. Und wie gehabt wird über das gesamte Paket in einer einzigen Abstimmung entschieden. Bei Annahme sind die Beschlussempfehlungen der Ausschüsse angenommen (d.h. der Antrag entweder angenommen, abgelehnt oder durch Verwaltungshandeln erledigt) sowie die neuen Anträge in die Ausschüsse überwiesen, bzw. direkt angenommen worden.
Die Debatte
Sollte eine Partei mit der Beschlußempfehlung des Ausschusses nicht einverstanden sein und hoffen, die Zählgemeinschaft (mit der Majorität der Stimmen) durch neue Informationen umstimmen zu können – oder nur ein öffentliches politisches Statement machen wollen, so ist hier nun die Gelegenheit dazu. Ob es gelingt, die Entscheidung des Ausschusses, in dem in etwa die gleichen Mehrheitsverhältnisse wie in der BVV herrschen, in der Verordnetenversammlung zu ändern darf allerdings bezweifelt werden.
Fazit:
Die Lebensdauer eines Antrags in der BVV kann also sehr unterschiedlich sein. Von etwa neun Tagen bei direktem Beschluss in der ersten BVV, sei es über die Konsensliste oder die direkte Behandlung, bis zu mehreren Monaten, wenn die Ausschüsse den Antrag vertagen, oder aufgrund der Terminplanung der federführende Ausschuss auf die später stattfindenden Ausschüsse warten muß. Die meisten bisher erlebten Anträge werden aber etwa innerhalb der Periode von zwei BVV-Sitzungen abgehandelt.
Auch ist die Aufmerksamkeit, die die Öffentlichkeit auf einzelne Anträge legen kann sehr unterschiedlich: Anträge die über die Konsensliste direkt in der ersten BVV Sitzung beschlossen werden können bestenfalls im Nachhinein über das Protokoll wahrgenommen werden. Während andere Anträge die öffentlich in den BVV-Sitzungen debattiert werden doch eine größere öffentliche Präsenz haben. Im Mittelfeld liegt dann wiederum die Mehrzahl der Anträge, die in den öffentlichen Ausschüssen behandelt werden. Bei diesen haben dann interessierte Bürger -soweit die Sitzungsleitung es zulässt und es den Sitzungsverlauf nicht stört- die Möglichkeit ein kurzes Statement im Ausschuss abzugeben.
Anm.:
Dieses Posting wurde erstmals im Juni 2012 auf diesem Blog veröffentlicht.